junge Welt 04.06.2007 / Politisches Buch / Seite 15
Zu den Mythen des Zionismus zählt die Gründungslegende
Israels, wonach der jüdische Staat das Erbe des Kampfes gegen
den Nazifaschismus angetreten habe. Tatsächlich stand die
zionistische Bewegung – im Unterschied zu zahlreichen
Kommunisten und Sozialisten jüdischer Herkunft – niemals
an vorderster Front bei der Bekämpfung des Faschismus. Ihrem
Ziel eines jüdischen Staates in Palästina wurde alles
andere untergeordnet. Und für dieses Ziel waren die Zionisten
bereit, mit den faschistischen Regimes in Europa zu kollaborieren.
Diese »unheimliche Zusammenarbeit« zeigt Lenni
Brenner in seinem Werk »Zionismus und Faschismus« auf. In
der englischsprachigen Welt gilt das bereits 1983 unter dem Titel
»Zionism in the Age of the Dictators« erschienene Buch
als Standardwerk. Die deutsche Ausgabe wurde nach dem neueren
Forschungsstand überarbeitet und mit einem Vorwort von Dieter
Elken zur gegenwärtigen Antisemitismusdebatte sowie ausgewählten
Quellen im Anhang ergänzt.
Der aus einer orthodoxen jüdischen Familie stammende Autor
wird sich von Zionisten und Anti-Deutschen den Vorwurf des
Selbsthasses einhandeln. Zudem beziehen sich einzelne rechtsextreme
Websites positiv auf sein Werk. Doch Rassismus läßt sich
dem 1937 geborenen US-Amerikaner schwer vorwerfen, der 1963 zu den
Organisatoren des Marsches von Martin Luther King nach Washington
gehörte, mehrfach wegen seines Engagements gegen den
Vietnamkrieg inhaftiert wurde und mit dem legendären
Black-Power-Aktivisten Stokly Carmichael das »Komitee gegen
Zionismus und Rassismus« gründete.
Brenner zeigt,
wie der Zionismus seit seiner Entstehung ein Spiegelbild anderer
völkischer Strömungen war und mit dem Antisemitismus eine
feindliche Symbiose einging. Antisemitismus wurde in der
zionistischen Presse als unausweichliche und verständliche
Reaktion auf ein angebliches »Parasitentum« der Juden an
anderen Völker entschuldigt. Nur ein eigener Judenstaat könne
Abhilfe schaffen, lautete der zentrale Glaubenssatz des Zionismus.
Die Assimilation der Juden erschien den Zionisten dagegen als Gefahr
für ihr Palästinaprojekt. So begrüßte der Führer
der Staatszionistischen Organisation in Deutschland Georg Kareski im
Interview mit Goebbels Zeitung Der Angriff die Nürnberger
Rassegesetze mit ihrem Verbot von Mischehen als die Erfüllung
alter zionistischer Forderungen.
Entsprechend verweigerten
sich die zionistischen Verbände einem gemeinsamen Abwehrkampf
mit Kommunisten oder Sozialdemokraten gegen die faschistische
Bedrohung. Die deutschen Zionisten sprachen sich ausdrücklich
gegen einen internationalen Boykott gegen Deutschland aus. Statt
dessen wurde das von der Mehrheit der Juden weltweit abgelehnte
Haavara-Abkommen zwischen Zionisten und Nazis geschlossen, das
Auswanderung deutscher Juden nach Palästina im Gegenzug zu
Handelsbeziehungen während der 30er Jahre regelte.
Es
ging den zionistischen Führern keineswegs um die Rettung
möglichst vieler Juden vor ihrer Vernichtung, sondern um die
Einwanderung gesunder, kräftiger und gut ausgebildeter Juden für
das zionistische Kolonialprojekt in Palästina. Deutlich wird
dies in den Worten des späteren Staatsgründers Israels,
David Ben Gurion: »Wenn ich wüßte, daß es
durch Transporte nach England möglich wäre, alle
(jüdischen) Kinder aus Deutschland zu retten, durch Transporte
nach Palästina aber nur die Hälfte, würde ich mich für
Letzteres entscheiden. Denn wir müssen nicht nur das Leben
dieser Kinder abwägen, sondern auch die Geschichte des Volkes
Israel.« Entsprechend schloß der ungarische
Zionistenführer Kasztner 1944 mit den Nazis das Abkommen, einige
tausend vor allem junge, zionistische oder landwirtschaftlich
ausgebildete Juden nach Palästina zu bringen, um im Gegenzug
durch seien Einfluß Widerstandshandlungen der 450000
ungarischen Juden gegen ihre Deportation zu unterbinden.
Da den Nazis das zionistische Ziel der Massenauswanderung von
Juden nach Palästina entgegenkam, waren die Zionisten während
der 30er Jahre niemals den gleichen Repressalien ausgesetzt wie die
anderen jüdischen Verbände. Angesichts der erzwungenen
Auflösung der nichtzionistischen Verbünde fand stattdessen
eine erzwungenen Gleichschaltung der deutschen Juden in den
zionistischen Verbänden statt, die vor der NS-Machtübernahme
nur eine Minderheit des deutschen Judentums repräsentierten.
Neben den Nazifahnen war die blau-weiße Zionistenfahne die
einzig zugelassene Fahne im Reich, und im April 1935 erlaubte die
Polizei der revisionistisch-zionistischen Jugendorganisation Herzlia
sogar das Tragen ihrer Uniform. »Vor dem Zweiten Weltkrieg
waren unsere Operationen in Deutschland weder illegal noch geheim.
Das Büro der Gestapo war gerade auf der anderen Straßenseite
von unserem, und sie wußten ganz genau, wer wir waren und was
wir taten«, bestätigte der an der illegalen Einwanderung
von Juden aus »Großdeutschland« nach Palästina
beteiligte Mossad-Agent Ehud Avriel.
Tatsächlich war der
Zionismus in den Augen des NS-Regimes lediglich ein brauchbares
Werkzeug zur Durchsetzung seiner Judenpolitik in der Zeit vor der
»Endlösung« doch keineswegs ein als gleichberechtigt
akzeptierter Verhandlungspartner. »Während der ganzen Zeit
spielten die Nazis mit den Zionisten Katz und Maus. Hitler hatte nie
vor, irgend jemanden davonkommen zu lassen, nur weil er die Juden
ermutigte, nach Palästina auszuwandern«, macht Brenner
deutlich, »Die Zionisten hatten einfach die Tatsache ignoriert,
daß Hitler alle Juden haßte und daß er besonders
die zionistische Ideologie verachtete. Sie waren einfach Reaktionäre,
die sich in ihrer Naivität entschlossen hatten, die
Gemeinsamkeiten zwischen ihrer Ideologie und Hitlers
hervorzuheben.«
Diese Naivität endete nicht einmal,
als der Genozid an den europäischen Juden begonnen hatte. Die in
Palästina terroristisch gegen die britische Besatzungsmacht und
die Araber operierende Stern-Gruppe der sogenannten revisionistischen
Zionisten machte 1941 angesichts einer angeblichen
»Interessengemeinschaft zwischen den Belangen einer Neuordnung
Europas nach deutscher Konzeption und den wahren nationalen
Aspirationen des jüdischen Volkes« dem Nazireich ohne
Erfolg das »Angebot einer aktiven Teilnahme am Kriege an der
Seite Deutschlands«.
Mit Yitzhak Schamir wurde später
einer dieser Möchtegern-Alliierten Hitlers israelischer
Ministerpräsidenten. In der Tradition des revisionistischen
Zionismus stehen heute die Likud-Partei und die Kadima des
israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert. In den 30er Jahren
wurden die Revisionisten von anderen Strömungen im Judentum
aufgrund ihrer Mussolini-Bewunderung übrigens als jüdische
Faschisten bezeichnet.
Lenni Brenner: Zionismus und Faschismus: Über die unheimliche Zusammenarbeit von Faschisten und Zionisten. Kai Homilius Verlag, Berlin 2007, 370 Seiten, 24,80 Euro