Die Rote Hilfe 1/2021

Teilerfolg gegen den VS

Geheimdienst darf Hans-Litten-Archiv nicht mehr als „extremistische Gruppierung“ bezeichnen

Von Nick Brauns

Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf nicht mehr behaupten, dass das Hans-Litten-Archiv e.V. eine „extremistische Gruppierung“ sei, „die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt“. Das stellte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 4. November 2020 fest. Das Bundesministerium des Inneren wird „im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, den Verfassungsschutzbericht 2018 in digitaler, schriftlicher oder sonstiger Form mit der Maßgabe zu verbreiten, verbreiten zu lassen oder sonst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, dass der Antragsteller im Registeranhang nicht selbst als extremistische Gruppierung, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, aufgeführt wird, sondern als Unterstützer einer solchen Gruppierung“. Obwohl das Hans-Litten-Archiv ein eigenständiger und als gemeinnützig anerkannter Verein ist, sieht es das Gericht weiterhin als erwiesen an, dass der Verein zur Struktur der Roten Hilfe e.V. gehört und diese als vermeintlich extremistische Gruppierung unterstützt. Die Nennung des Hans-Litten-Archivs e.V. im Verfassungsschutzbericht geht noch auf die letzten Amtswochen des aufgrund seiner Verharmlosung neofaschistischer Umtriebe für die Bundesregierung untragbar gewordenen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen im Jahr 2018 zurück. Da eine solche Nennung die wissenschaftliche Kooperation mit anderen Institutionen wie Universitäten gefährdet, hatte das Hans-Litten-Archiv vertreten durch seinen Anwalt Peer Stolle vor Gericht geklagt und jetzt teilweise Recht bekommen. Die Erwähnung des Hans-Litten-Archivs im Verfassungsschutzbericht diene offensichtlich der Diskreditierung des Vereins in der Öffentlichkeit, erklärte Anwalt Peer Stolle. Die gerichtliche Klarstellung sei daher zumindest ein Teilerfolg. „Mit unserer Klage haben wir uns dagegen gewehrt, dass ein Geheimdienst als Zensor zivilgesellschaftlichen Engagements agiert. Das sind wir auch unserem Namenspatron Hans Litten schuldig, der immer entschieden gegen staatliches Unrecht aufgetreten ist. Dass der Geheimdienst wenigstens eine kleine Schlappe erlitten hat, erfüllt uns mit Genugtuung“, heißt es in einer Erklärung des Archivvereins. Auch die Landesverfassungsschutzämter in Niedersachsen und Bremen haben das Hans-Litten-Archiv in ihren Berichten im Kapitel über die Rote Hilfe e.V. als deren Struktur oder Archiv aber nicht als eigenständige „extremistische“ Gruppierung benannt. Diese Nennung geht offenbar direkt auf eine entsprechende Aufforderung des Bundesamtes für Verfassungsschutz an die Landesämter noch unter Maaßen zurück, die dem Archivverein vorliegt. Dass der Bremer Geheimdienst dieser Aufforderung allerdings erst unter der neuen rot-rot-grünen Landesregierung unter Beteiligung der Linkspartei nachkam, sollte den dortigen Genossinnen und Genossen zu denken geben. Das Hans-Litten-Archiv wurde 2005 in Göttingen gegründet. Es sammelt Dokumente zur Geschichte der Solidaritätsorganisationen der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung und der sozialen Bewegungen. In diesem Rahmen befassen sich der Archivverein und seine Mitglieder auch wissenschaftlich mit den verschiedenen Rote-Hilfe-Vereinigungen der letzten 100 Jahre sowie verwandten Themen wie Klassenjustiz, Repression gegen Linke und dem Schicksal politischer Gefangener. Veröffentlichungen von Archivmitgliedern behandelten unter anderem die Widerstandstätigkeit von Roten Helferinnen und Helfern unter dem NS-Regime sowie die Neugründungen von Rote-HilfeGruppierungen im Gefolge der Außerparlamentarischen Opposition nach 1968.

v • www.hans-litten-archiv.de