28.03.2006 / Ausland / Seite 6

Giftgas gegen Guerilla

Frühjahrsoffensive der türkischen Armee. Angriffe auf kurdische Aufständische. Auch deutsche Waffen im Einsatz.

Von Nick Brauns, Diyarbakir
Mit Massenvernichtungswaffen hat die türkische Armee am Wochenende 14 kurdische Guerillakämpfer ermordet. Nach Mitteilung der aus der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hervorgegangenen Volksverteidigungskräfte (HPG) griff die türkische Armee ein Winterlager der PKK auf einer Hochebene in der Region Mus an. Dieses fand im Rahmen einer großangelegten Militäroperation unter Beteiligung von rund 10 000 Soldaten und paramilitärischen Dorfschützern statt. Der Angriff begann nach Angaben des HPG-Hauptquartiers mit der Besetzung mehrerer Berggipfel durch die Armee. Das darauf folgende Gefecht dauerte mit Unterbrechungen bis zum Samstag mittag. Danach setzte die türkische Armee Giftgas und schwere Waffen ein. Bereits vor einem Monat waren in Mardin sieben Mitglieder der Guerilla ebenfalls durch chemische Waffen getötet worden.

In der Innenstadt von Diyarbakir, der kurdischen Millionenmetropole im Südosten der Türkei, demonstrierten bewaffnete Sicherheitskräfte sofort nach Bekanntgabe der Meldungen über das Massaker verstärkte Präsenz. Offensichtlich befürchtet der türkische Staat, daß es vor allem bei den bevorstehenden Beerdigungen der getöteten Guerilla-Angehörigen zu massiven Protesten kommt. Die vermutlich größten der Trauerzüge werden neben Diyarbakir in Mardin und Siirt erwartet.

Für die vergangene Woche, in denen die Demonstrationen zum kurdischen Neujahrsfest Newroz stattfanden, hatte die Guerilla einen Waffenstillstand erklärt, um so den Charakter der Feiern als Friedensfest zu betonen. Die Armee begann dessen ungeachtet in mehreren kurdischen Provinzen mit ihrer alljärhlichen Frühjahrsoffensive. Zeitweise wurde in der Gegend um Yüksekova das Handynetz blockiert, damit keine Informationen über die Verlegung von Truppen weitergegeben werden konnten.

Im Einsatz sind auch zahlreiche Panzer und LKW aus deutscher Lieferung. So bestätigte ein Kommandant der Jandarma-Spezialpolizei an einem Checkpoint bei Uludere (Provinz Sirnak) gegenüber jW, daß mehrere Acht-Rad-Panzer sowjetischer Bauart aus alten DDR-Beständen stammten. Die Panzer der Nationalen Volksarmee waren der Türkei von der Bundesregierung in den neunziger Jahren geschenkt worden. Trotzdem bestritten deutsche Politiker seitdem mehrfach, daß deutsche Waffen vertragswidrig, also gegen kurdische die Bevölkerung eingesetzt werden.