Eugen Schönhaar kam am 29.Oktober
1998 in Esslingen am Neckar als fünftes von 16 Kindern des Weißgerbers Karl Wilhelm Schönhaar und seiner Frau Maria-Pauline zur Welt. Nach dem
Besuch der Volksschule zwischen 1904 und 1912 absolvierte Schönhaar von 1912
bis 1914 eine Feinflaschnerlehre und 1914/15 eine Lehre als Kernmacher in einer
Gießerei. Anschließend fand er Arbeit in der Maschinenfabrik Esslingen ME. [1]
Geprägt durch das sozialistische
Elternhaus - sein Vater gehörte der SPD an - organisierte sich Schönhaar im
bereits als 14-jähriger April 1912 in der Sozialistischen Jugend, deren
Ortsausschuss er bis Ende 1913 angehörte. [2]
1914 wurde er zum Vorsitzenden der
Esslinger Industriegruppe der unter dem Einfluss der revolutionären
Parteilinken stehenden oppositionellen Jugendgruppen, die er bis 1917 auch im
Württemberger Landesausschuss der von der Zentralstelle der arbeitenden Jugend
Deutschlands abgespaltenen oppositionellen Jugendgruppen vertrat. [3]
In einem Ende März 1923 verfassten
„Politischen Lebenslauf“ für das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei
Russlands gab Eugen Schönhaar an, „von Beginn der Spartacusbund
Bewegung an (Ende 1914) aktives Mitglied derselben“ gewesen zu sein.[4]
1916 wurde Schönhaar zusammen mit
drei weiteren Genossen nach der Teilnahme an einer Versammlung revolutionärer
Arbeiterjugendlicher anlässlich des Internationalen Jugendtages verhaftet. Die
Anklage lautete auf Landesverrat. Wegen der Verbreitung verbotener Schriften
musste er am 12. Oktober 1916 für drei Monate ins Gefängnis.
Schönhaar vertrat die Freie
Sozialistische Jugend Württembergs auf der Ostern 1917 in Berlin abgehaltenen
illegalen II. Reichskonferenz revolutionärer Arbeiterjugendorganisationen.[5]
Bei einer erneute
Anklage wegen Landesverrats am Anfang 1917
konnte ihm lediglich die Leitung verbotener Versammlung nachgewiesen
werden und er muss für vier Wochen ins Gefängnis.[6] Anschließend wurde Schönhaar „sträflich“ zum Militärdienst eingezogen
und – wie er angibt - „daselbst sofort
wegen Dienstpflichtentziehung und antimilitaristischer Propaganda verhaftet“.[7] Zuvor scheint er an der Front verwundet worden zu sein. Denn der spätere
Theaterregisseur Alfred Dreifuß gibt in seiner Autobiographie an, im
Lazarettflügel des israelitischen Waisenheims „Wilhelmspflege“ in Esslingen, in
dem er 1917 als Postbote tätig war, die Bekanntschaft Schönhaars gemacht zu
haben. Als der kriegsbegeisterte Jugendliche Dreifuß den verwundeten
Frontsoldaten über den Krieg ausfragt, antwortete ihm dieser lediglich: „Hör zu
und merke dir das, der Krieg da draußen ist die scheußlichste Sache der Welt.“[8] Dreifuß, der wenig später Kontaktverbot mit Schönhaar bekam, betonte: „Es war die erste
Antikriegsäußerung, die ich vernahm, in Esslingen, in der `Wilhelmspflege´.“[9]
Nach dreimonatlicher
Untersuchungshaft im Untersuchungsgefängnis Gmünd wurde Schönhaar am 16.Januar
1918 von einem Kriegsgericht wegen „Fahnenflucht“ zu neun Monaten Festungshaft
verurteilt und erst durch den Ausbruch der Novemberrevolution befreit. [10] Kurz darauf wurde er in die
Propaganda-Abteilung des Zentralen Soldatenrates in Stuttgart gewählt.[11]
Nach seiner offiziellen Entlassung
aus dem Militärdienst fand Schönhaar wieder eine Anstellung als Former in der
Maschinenfabrik Esslingen, die zu diesem Zeitpunkt 12.000 Beschäftige zählte.
Er trat der Kommunistischen Partei Deutschlands bei und wurde zum Vorsitzenden
der Esslinger Ortsgruppe der KPD-Jugendorganisation Freie Sozialistische Jugend
Deutschlands.[12]
Als sich Anfang April 1919 ausgehend
von Stuttgart ein Generalstreik über fast alle wichtigen Industrieorte
Württembergs ausdehnte, gehörte Eugen Schönhaar als Vertreter der KPD einem
Aktionskomitee in der Maschinenfabrik Esslingen an. Die KPD forderte die
Freilassung der proletarischen politischen Gefangenen und die Wiedereinstellung
der nach den Januarunruhen Gemaßregelten, die Wiederherstellung eines
unbeschränkten Versammlungsrechts sowie die Neuwahl der Arbeiter- und
Soldatenräte.[13] Als die Stadt Esslingen nach Verhängung des verschärften
Belagerungszustandes durch „weiße Truppen“ besetzt wurde, floh Schönhaar nach
München, wo er an den letzten Kämpfen um die Räterepublik teilnahm.[14] Nach deren Niederschlagung wurde er im Juni 1919 in Augsburg verhaftet
und nach drei Monaten Untersuchungshaft an die Württembergische Justiz
ausgeliefert, das ihn am 9.März 1920 „wegen aktiver und leitender Teilnahme am
Aprilgeneralstreik“ zu zehn Monaten
Gefängnis verurteilte. Aufgrund der Untersuchungshaft galt die Strafe als
weitgehend verbüßt und Schönhaar kam frei.[15]
Während des reichsweiten
Generalstreiks zur Niederringung des Kapp-Putsches im März 1920 wurde der erst
21jährige Schönhaar zum Vorsitzenden des Aktionsausschusses der Maschinenfabrik
Esslingen gewählt und gehört auch dem Aktionsausschuss für das gesamte
Esslinger Industriegebiet an. Im Sommer 1920 wurde er Leiter der
kommunistischen Betriebsgruppe in der ME.[16]
Als
die Württemberger Arbeiter am 28.August 1920 erneut in einen
Generalstreik traten, um ein Ende der militärischen Bewachung einer Reihe von
Betrieben, die Wiedereröffnung geschlossener Betriebe, die Bezahlung der Löhne
für die ausgefallene Arbeitszeit und Verhandlungen mit der Regierung wegen des
Steuerabzugs zu fordern, gehörte Schönhaar dem Esslinger Streikbezirksausschuss
an. Hierfür wurde er nach Beendigung des Streiks von der Unternehmensleitung
der ME „gemaßregelt“.[17]
Nun begann Eugen Schönhaars Aufstieg
in der internationalen kommunistischen Bewegung. So vertrat vom 28. bis 30.
Dezember 1920 die württembergische Kommunistische Jugend Deutschland (KJD) auf
dem 5. Reichskongress der KJD. Er wurde in die Reichsführung der KJD gewählt
und arbeitete bis Juni 1921 als Redakteur des Zentralorgans „Die Junge Garde“.[18]
Als Delegierter der KJD hielt
Schönhaar auf der zweiten Konferenz der Kommunistischen Jugendinternationale,
die vom 9. bis 24. Juli 1921 in Moskau tagte, das Referat über die
organisatorischen Aufgaben der Landesverbände. Ausgehend von der Notwendigkeit,
breitere Massen für die kommunistischen Jugendverbände zu erfassen, schlug er
eine Rückkehr zur „Zellenorganisation“ vor. Aus dem Gesagten geht jedoch
hervor, dass Schönhaar mit Zellen eigentlich kommunistische Fraktionen
innerhalb verschiedener Arbeiterorganisationen meinte, die ihre Fühler überall
dorthin ausstrecken, wo größere Massen jugendlicher Arbeiter vereinigt waren.
„Die Ortsgruppen sind die feste Form des Verbandes, während die Zellen einer
losere Form darstellen, in denen der Verband das Vertrauen der Jugendlichen
erobert und sie dann in den kommunistischen Jugendverband selbst hinüberleitet“[19], hieß es in Schönhaars Referat. Zusammen mit den deutschen Delegierten
Willi Münzenberg, Leo Flieg und Unger wurde Schönhaar in das 11-köpfige
Exekutivkomitee der KJI gewählt.[20] Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Exekutivkomitee auf dem dritten
KJI-Kongress im Dezember 1922 arbeitete Schönhaar im Berliner Büro der
Jugendinternationale.
Da der III. und IV. Weltkongress der
Kommunistischen Internationale zeitlich kurz vor den Kongressen der
Jugendinternationale stattfanden, konnte Eugen Schönhaar deren Beratungen als
Gast beiwohnen. So wurde er auch Zeuge, wie die Kommunistische Internationale
im November 1922 auf Vorschlag der „Gesellschaft der Alten Bolschewiki“ die
Gründung der Internationalen Roten Hilfe beschloss. Nach einigen Monaten Arbeit
in einem Moskauer Betrieb wurde Schönhaar Ende 1923 zum Mitarbeiter des
Exekutivkomitees der IRH berufen.[21] Da Schönhaar sein außergewöhnliches Organisationstalent
bereits als Betriebskader und Jugendfunktionär unter Beweis gestellt hatte,
ernannte ihn das ZK der IRH am 18.Dezember 1923 zum Leiter eines
neugeschaffenen Mitteleuropäischen Büro (MEB) der IRH in Berlin.[22] Die IRH-Vertretung, deren offizielle
Eröffnung im April 1924 erfolgte, sollte aus einem Büro mit je einem Vertreter der Komintern, der Profintern, der KJI, der IRH sowie der KPD bestehen.[23]
Regionale Leitungsstellen wie das MEB dienten zur besseren Koordination der
Solidaritätsarbeit und zum Aufbau neuer Sektionen der Roten und betreuten
jeweils eine Ländergruppe. Schönhaar, dessen Verantwortungsbereich sich über
Deutschland, Dänemark, Holland, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz,
Tschechoslowakei, Ungarn und ab 1925 über Teile des Balkan
erstreckte, war als Leiter des MEB offizieller Vertreter des EK der IRH.
Bis zum Frühjahr 1925 leitete das MEB den Aufbau
nationaler Komitees und Sektionen der Roten Hilfe an. Dann bestanden in allen
Ländern seines Zuständigkeitsbereichs arbeitsfähige Rote-Hilfe-Gremien.
Hauptaufgaben des MEB waren die internationaler Kampagnen gegen den „weißen
Terror“ sowie internationale Propaganda-, Presse- und Verlagstätigkeit.
Eugen Schönhaar koordinierte die internationalen
Hilfskampagnen der IRH gegen den „weißen Terror“ in Rumänien und Bulgarien und
war federführend an der Kampagne gegen die Hinrichtung der in den USA
unschuldig zum Tode verurteilten Anarchisten Sacco und Vanzetti beteiligt.[24] „Die
Kampagne für die Rettung Saccos und Vanzettis vom elektrischen Stuhl war eine der – oder besser
die populärste Kampagne, die je vom MEB der IRH geführt wurde“[25],
hieß es in einem Bericht des MEB aus dem Jahr 1926.[26]
Die IRH-Pressestelle „Justitia“, die Redakteure in den verschiedenen
Landessprachen beschäftigte, versorgte von Berlin aus die internationale Presse
sowie die europäischen Sektionen der IRH und kommunistische Parteien mit
mehrsprachigen Informations- und Propagandamaterialien über Kerkergräuel,
Justizskandale, die Verfolgung von Arbeiterorganisationen und die Tätigkeit der
Roten Hilfe.[27]
Daneben übernahm das MEB zwischen Mai 1924 und September 1926
„fast die gesamte Verlagstätigkeit der Exekutive der IRH für die
außerrussischen Sektionen“.[28]
Unterstützung bei der Redaktionsarbeit fand Eugen Schönhaar durch den
ungarischen Journalisten Andor Gabor. Die Künstler John Heartfield und Alfred
Beyer wirkten an der Gestaltung einzelner Broschüren mit. Käthe Duncker,
Ehefrau des bekannten KPD-Propagandisten, half als Übersetzerin unter anderem
aus dem Norwegischen mit.[29] Als
Drucker hatte Schönhaar 1925 seinen Esslinger Genossen Fritz Rieckert gewonnen, dessen Berliner Wohnung auch als
Deckadresse des MEB diente.[30]
Schönhaars aus der Schweiz stammende Frau Odette arbeitete zeitweilig als
Sekretärin für das MEB.[31]
Schönhaar reiste mehrfach zur Anleitung der Sektionen nach
Österreich, in die Schweiz und in die Tschechoslowakei. Insbesondere die
länderübergreifende Regelung des Politemigrantenwesens durch die Rote Hilfe
fiel in seinen Zuständigkeitsbereich. Zur verbesserten Koordination und
Zentralisation der Emigrationsfrage organisierte er daher im Anschluss an die
Reichstagung der RHD am 17. Mai 1925 eine Besprechung von Vertretern der Roten
Hilfe aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, der Tschechoslowakei und den
Balkanstaaten sowie der IRH-Zentrale.[32]
Dabei wurde beklagt, dass andere notwendige Aufgaben durch die massiv
angestiegene Emigrantenhilfe in den Hintergrund gedrängt würden. In Österreich,
Deutschland und Frankreich würde die legale Arbeit der Roten Hilfe durch die
Unterstützung von illegalen in- und ausländischen Flüchtlingen zunehmend
gefährdet. Um die Rote Hilfe materiell wie auch politisch zu entlasten, wurde
beschlossen, äußerlich von der RH getrennte Politemigranten-Unterstützungskomitees
zu schaffen.[33]
Zur verbesserten Koordination zwischen der IRH und ihrer
deutschen Sektion wurde Schönhaar 1924 auch in das Zentralkomitee der deutschen
Rote Hilfe berufen, dem er bis zur Gründung der Rote Hilfe Deutschlands als zentralisierter
Mitgliederorganisation im September 1924 angehörte.[34]
Regelmäßig versorgte danach auch der Zentralvorstand der RHD den „Genossen
Eugen“ mit aktuellen Tätigkeitsberichten bis hin zu Kassenübersichten.[35]
Die Tätigkeit des MEB endete schlagartig, als gegen Schönhaar
ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Aufgrund einer Denunziation war
eine der Büro-Deckadressen aufgeflogen und am 8.Juli 1927 entdeckte die
politische Polizei Schönhaars illegales Quartier in Berlin-Neukölln. Bei der
Durchsuchung wurden offensichtlich weite Teile der Registratur des MEB
beschlagnahmt. Weitere Razzien folgten am 3.August in der offiziellen Wohnung
Schönhaars sowie in der Pressestelle Justitia.[36]
Schönhaar verbrachte gerade mit seiner Frau Odette und seinem
Sohn Carlo den Urlaub auf Rügen.[37]
Nachdem sein Steckbrief im Fahndungsblatt des Berliner Polizeipräsidiums
Abteilung IA erschienen war, entzog er sich der drohenden Verhaftung durch
Flucht nach Moskau. „Dissident, 28 Jahre alt, 1,72 groß, Haare blond, Stirn gewöhnlich,
Augenbrauchen blond mittelstark, Augen blau, Nase und Mund gewöhnlich, ohne
Bart, Kinn gewöhnlich, Gesichtsbildung oval, gebräunte Gesichtsfarbe,
untersetzte Gestalt“[38] – so
lautete die polizeiliche Beschreibung des Gesuchten. Wie eine aufgrund des
beschlagnahmten Materials angefertigte Denkschrift des Württembergischen
Landeskriminalpolizeiamtes zur IRH zeigt, wurde gegen den Leiter des MEB in
erster Linie wegen des Verdachts der Fluchthilfe für polizeilich gesuchte
politische Straftäter ermittelt.[39]
In Moskau wurde Schönhaar erneut eine Arbeit beim
Exekutivkomitee der IRH zugewiesen, das ihn vom Juli 1928 bis März 1929 zur
Unterstützung der International Labor Defense in die USA schickte.[40] Zur
US-Sektion der IRH und ihrem Leiter James P. Cannon hatte Schönhaar bereits
während der Kampagne um Sacco und Vanzetti Kontakt gehabt.[41]
Als Schönhaar im März 1929 nach Deutschland zurückkehrte, um
für das ZK der KPD zu arbeiten, war der gegen ihn verhängte Haftbefehl wegen
Hochverrats durch ein unter Reichkanzler Müller (SPD) im Juli 1928
verabschiedetes Amnestiegesetz aufgehoben worden.[42] Wieder war sein Organisationstalent
ausschlaggebend, als er im August 1932 mit der Vorbereitung illegaler
Druckmöglichkeiten für den Fall eines KPD-Verbotes beauftragt wurde. Unter den
Decknamen „Eugen“ und „Ewald Reckwitz“ schuf Schönhaar nach Errichtung der
nationalsozialistischen Diktatur als einer der Leiter des technischen Apparates
des ZK der KPD ein Netz von Verbindungen zu illegalen Druckereien, in denen
teilweise bis 1935 Hunderttausende antifaschistische Flugschriften produziert
wurden.[43]
Im November 1933 wurde Eugen Schönhaar in Berlin aufgrund
einer Denunziation Alfed Kattnes verhaftet. Der
ehemalige technischer Sekretär Thälmanns Alfred Kattner
hatte sich nach grausamen Misshandlungen im KZ Sonnenburg von der Gestapo als
Spitzel anwerben lassen und eine Reihe führender KPD-Funktionäre, darunter
Thälmanns Stellvertreter John Schehr, an die
Nationalsozialisten ausgeliefert.[44] Um
weitere Denunziationen Kattners zu verhindern, ließ
der Nachrichtendienst der KPD ihn am Morgen des 1.Februar 1934 in seiner
Wohnung ermorden. Hitler soll über den Tod seines wichtigsten Kronzeugen gegen
Thälmann so erbost gewesen sein, dass er die Erschießung von 1000 kommunistischen
Geiseln forderte.[45]
Tatsächlich folgte die Rache der Gestapo nur wenige Stunden später: In der
Nacht vom 1. auf den 2. Februar 1934 ermordete die Gestapo die KPD-Funktionäre
Eugen Schönhaar, John Schehr Rudolf Schwarz und Erich
Steinfurth.[46] Die offizielle Version
lautete, die vier Kommunisten seien beim Rücktransport von der Gestapozentrale
in der Prinz-Albrecht-Strasse zum Columbia-Haus am Kilometerberg in
Berlin-Wannsee „auf der Flucht“ erschossen worden. Doch der Kilometerberg
befindet sich weitab des Weges zwischen der Prinz-Albrecht-Strasse und dem
Columbia-Haus befand.[47]
Durch eine gründliche Untersuchung des von der Gestapo
genannten Tatortes, die Befragung von Familienangehörigen, die die Leichen
identifizieren mussten sowie durch geheime Kontakte zur Polizei konnte der
Nachrichtendienst der KPD eindeutig nachweisen, dass die vier Kommunisten
kaltblütig ermordet worden waren.[48]
Unter der Überschrift „Hoch die Sache der Revolution, für die
Genossen Schehr, Steinfurth, Schönhaar und Schwarz
bis zum letzten Atemzug heldenhaft kämpften“, gab Otto Ville Kuusinen im Namen des Exekutivkomitees der Kommunistischen
Internationale „den schweren Verlust bekannt, den die KPD und das ganze
deutsche Proletariat durch den Meuchelmord der faschistischen Regierung“
erlitten habe und bekundete „den Angehörigen dieser auf Kampfposten gemordeten
Genossen sein Beileid“.[49]
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Odette Schönhaar war im September 1933 mit ihrem Sohn Carlo
in die Schweiz geflohen. Da ihnen nach der Ermordung Eugen Schönhaars die
Aufenthaltsgenehmigung entzogen wurde und die Abschiebung nach Deutschland
drohte, flohen sie weiter nach Paris, wo sie illegal lebten. Carlo Schönhaar
schloss sich als 17 jähriger den Jugendbataillonen der Résistance an. Am 5.März 1942 verhaftet
und von einem Wehrmachtsgericht in Paris zum Tode verurteilt wurde Carlo
Schönhaar am 17.April 1942 zusammen mit 14 französischen Jugendgenossen der
Résistance auf dem Mont Valérien in Paris hingerichtet. Odette Schönhaar wurde
von 1942 bis 1945 im KZ Ravensbrück inhaftiert. Sie arbeitete nach dem Krieg
für die „Humanité“, das Zentralorgan der Kommunistischen Partei Frankreichs.[50]
Am 3.Februar 1954 erfolgte in Anwesenheit von Walter Ulbricht
eine feierliche Umbettung der sterblichen Überreste von Eugen Schönhaar, Rudolf
Schwarz, Erich Steinfurth und John Schehr vom
Friedhof Mariendorfer Weg in Berlin-Neukölln in ein Urnengrab mit Gedenktafel
in der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin Friedrichsfelde. Während vor 1989
eine Oberschule und eine Einheit der Nationalen Volksarmee in Prenzlau den
Ehrennamen „Eugen Schönhaar“ trugen, erinnert heute nur noch eine Straße im
Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg an den im Alter von nur 35 Jahren ermordeten
Kriegsgegner, Jungkommunisten, Funktionär der Roten Hilfe und Aktivist der
illegalen KPD.
Aus: Sabine Hering / Kurt Schilde (Hg.)
Die Rote Hilfe. Die Geschichte der internationalen kommunistischen “Wohlfahrtsorganisatio n” und ihrer sozialen Aktivitäten in
Deutschland (1921-1941), Leske + Budrich,
Opladen 2003,
[1] Vgl. Katja Haferkorn, s.v. Schönhaar, Eugen, in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Biographisches Lexikon, Berlin 1970, 407.
[2] Vgl. Eugen Schönhaar, An das ZK der KPR, Politischer Lebenslauf anlässlich eines Gesuchs um Übernahme von der KP Deutschlands in die KP Rußlands, Moskau 29.März 1923, Archiv der VVN-BdA Baden-Württemberg, veröffentlicht in: Friedrich Pospiech: Eugen Schönhaar und Sohn Carlo. Kommunisten – Widerstandskämpfer. 1934/1942 vom Naziregime ermordet. Zwei Leben für die Freiheit Deutschlands und Frankreichs, 2. erw. Auflage Esslingen 2001.
[3] Die Arbeiterjugendorganisation in Württemberg stand bereits vor dem Krieg unter dem starken Einfluss der revolutionären Linken, die bei Kriegsausbruch endgültig die Führung im Württemberger Bezirk eroberte. Als eine im September 1914 in Esslingen stattfindende Landeskonferenz der Kriegsgegner innerhalb der Württemberger Sozialdemokratie den Bruch mit der SPD vollzog, solidarisierte sich der Württemberger Bezirk der Arbeiterjugendvereine vollständig mit der abgespaltenen Opposition. Vgl. Richard Schüller: Geschichte der Kommunistischen Jugendinternationale Band I. Von den Anfängen der proletarischen Jugendbewegung bis zur Gründung der KJI, Berlin 1929 ff, 82.
[4] Schönhaar, Lebenslauf. Die Spartacusgruppe um Hermann und Käthe Duncker, Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Franz Mehring, Julian Marchlewski, Wilhelm Pieck, Clara Zetkin und andere revolutionäre Marxisten konstituierte sich erst auf einer Reichskonferenz am 5.März 1915 offiziell.
[5] Vgl. ebda.
[6] Während Schönhaar in seinem Lebenslauf als Zeitpunkt der Verhaftung „Anfang 1917“ angibt, spricht Pospiech vom 25.Oktober 1916; Pospiech, Schönhaar, 11.
[7] Schönhaar, Lebenslauf.
[8] Alfred Dreifuß: Ensemblespiel des Lebens. Erinnerungen eines Theatermannes, Berlin 1985, 35.
[9] Ebda.
[10] Vgl. Pospiech, Schönhaar, 12.
[11] Vgl. Schönhaar, Lebenslauf.
[12] Vgl. ebda.
[13] Vgl. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Chronik Teil II. Von 1917 bis 1945, Berlin 1966, 61.
[14] Vgl. Schönhaar, Lebenslauf. Katja Haferkorn schreibt dagegen, Schönhaar sei schon im Laufe des Generalstreiks in Esslingen festgenommen worden, vgl. Haferkorn, Schönhaar, 408.
[15] Schönhaar, Lebenslauf. Pospiech spricht dagegen von lediglich acht Monaten, von denen fünf durch die Untersuchungshaft bereits verbüßt waren, vgl. Pospiech, Schönhaar, 12.
[16] Vgl. Schönhaar, Lebenslauf.
[17] Vgl. Schönhaar, Lebenslauf; Die Streikenden konnten zumindest die Aufhebung der militärischen Bewachung der Betriebe durchsetzen; IML ZK SED: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Chronik Teil II., 95.
[18] Vgl. Schönhaar, Lebenslauf.
[19] Alfred Kurella: Geschichte der Kommunistischen Jugendinternationale Band II. Gründung und Aufbau der KJI, Berlin 1929 ff, 186.
[20] Ebda. 189.
[21] Vgl. Haferkorn, Schönhaar, 408. Ob Schönhaar zwischenzeitlich der Kommunistischen Partei Russlands angehörte, in die er Ende März 1923 übernommen zu werden beantragte, konnte nicht geklärt werden, Vgl. Schönhaar, Lebenslauf.
[22] Manchmal wurde das MEB auch als Mitteleuropäische Vertretung (MEV) bezeichnet.
Eugen Schönhaar an das EK IRH, Bericht vom 30.April 1925, BA R 3003/ORA/RG/Sammlung Rote Hilfe/ 1 Bl.131. Diese Unterlagen stammen aus dem Ermittlungsverfahren gegen MEB Eugen Schönhaar.
[23] Eugen Schönhaar an die Exekutive der Profintern, 3.April; BA R 3003 / ORA / RG / Sammlung Rote Hilfe / 7 Bl.42.
[24] Siehe z.B. die Druckplatten für Flugschriften, BA R 3003/ORA/RG/Sammlung Rote Hilfe/32.
[25] Zentralsekretariat der RHD, Berlin 12.Juni 1926, Bericht des MEB der IRH über die Kampagne für die Rettung Saccos und Vanzettis, BA R 3003/ORA/RG/Sammlung Rote Hilfe/10, Bl. 10.
[26] Zur Kampagne für Sacco und Vanzetti siehe auch: Johannes Zelt: Proletarischer Internationalismus im Kampf um Sacco und Vanzetti. Unter besonderer Berücksichtigung der Solidaritätskampagne in Deutschland und der Tätigkeit der Internationalen Roten Hilfe, Berlin 1958.
[27] Vgl. Grahn, Schönhaar, 650.
[28] Bericht über die Verlagsarbeit des MEB des EK der IRH vom 1.Mai 1924 bis zum 30.September 1926, SAPMO RY1/I6/6/2.
[29] Vgl. Grahn, Schönhaar, 651.
[30] Vgl. Pospiech, Schönhaar, 14.
[31] Vgl. Pospiech, Schönhaar, 5.
[32] Die französische und die holländische Sektion fehlten. Ähnliche Konferenzen fanden in den folgenden Jahren in Österreich, Luxemburg und Frankreich statt.
[33] Pol.Präs. Stuttgart, Denkschrift IRH 1928, 50-51, StA Bremen 4,65-475 Bl.179.
[34] Halbjahresbericht der Roten Hilfe März - September 1924, BA R 3003/ORA/RG/Sammlung Rote Hilfe/ 14 Bl.13. Johannes Zelt gibt an, Schönhaar sei auch Mitglied im Zentralvorstand der RHD gewesen. Bei der Wahl der Vorstandsmitglieder auf dem I. Reichskongress wird sein Name allerdings nicht genannt. Johannes Zelt: Proletarischer Internationalismus im Kampf um Sacco und Vanzetti. Unter besonderer Berücksichtigung der Solidaritätskampagne in Deutschland und der Tätigkeit der Internationalen Roten Hilfe, Berlin 1958, 33.
[35] Siehe BA R 3003/ORA/RG/Sammlung Rote Hilfe.
[36] Vgl. Gerlinde Grahn: Eugen Schönhaar und die IRH 1924 bis 1930. Informationen über Quellen im Zentralen Staatsarchiv Potsdam, in: BzG 5 /1986, 647.
[37] Karl „Carlo“ Schönhaar wurde am 20.November 1924 geboren.
[38] zit. nach Pospiech, Schönhaar, 5.
[39] Pol. Präs. Stuttgart, Denkschrift IRH, September 1928, StA Bremen 4,65-475 Bl.179.
[40] Vgl. Haferkorn, Schönhaar, 408.
[41] Bericht des MEB der IRH über die Kampagne zur Rettung Saccos und Vanzettis, SAPMO RY1/I6/6/2.
[42] Vgl. Ulli Küpper / Eberhard Kempf / Wolfgang Coutandin: Mit Amnestie gegen politische Justiz?, in: Rote Robe 29. Oktober 1982, 193.
[43] IML ZPA ZK KPD: Deutsche Widerstandskämpfer. Biographien und Briefe, Berlin 1970, 197.
[44] Vgl. Bernd Kaufmann u.a.: Der Nachrichtendienst der KPD 1919-1937, Berlin 1993, 286.
[45] Vgl. Horst Duhnke: Die KPD von 1933 bis 1945, Wien 1974, 110.
[46] John Schehr (geb. 9.Februar 1898 in Altona) war langjähriger Aktivist der Hamburger Arbeiterbewegung. 1932 wurde er in den Preußischen Landtag und den Reichstag gewählt. Im Mai 1932 wurde er in das Sekretariat des ZK der KPD sowie das Politbüro gewählt und gehörte seit Mai 1933 der Leitung der KPD innerhalb Deutschlands an. Aufgrund einer Denunziation Kattnes wurde er im November 1933 in Berlin verhaftet. Vgl. IML Widerstandskämpfer, 147 ff. Rudolf Schwarz (geb. 3.März 1904 in Berlin) war langjähriger Funktionär der kommunistischen Jugendbewegung. Vor seiner Verhaftung Ende 1933 arbeitete er für das ZK der KPD. Vgl. IML Widerstandskämpfer, 252 f. Erich Steinfurth (geb. 10.August 1896 in Mittenwalde/Mark) gehörte seit 1927 dem Zentralvorstand der RHD und seit Oktober 1929 dem Preußischen Landtag an. Er wurde am 25.März 1933 verhaftet. Vgl. IML, Widerstandskämpfer 300 f.
[47] Vgl. Kurt Schilde / Johannes Tuchel: Columbia-Haus. Berliner Konzentrationslager 1933-1936, Berlin 1990, 32.
[48] Vgl. Kaufmann, Nachrichtendienst, 304. Tribunal April 1934.
[49] Marx-Engels-Lenin-Stalin-Institut beim Zentralkomitee der SED (Hg.): Zur Geschichte der Kommunistischen Partei Deutschlands. Eine Auswahl von Materialien und Dokumenten aus den Jahren 1914-1946, 2.durchges. Auslage Berlin 1955, 372.
[50] Vgl. IML, Widerstandskämpfer, 198; Pospiech, Schönhaar, 18.