Beten für den
Führer
Ein neues Buch
widerlegt die Legende vom Widerständler Faulhaber
Von Nick
Brauns
"Katholische Männer, wir beten jetzt zusammen
ein Vaterunser für das Leben des Führers." Mit diesen Worten schloß
Kardinal Michael von Faulhaber am 7. Juni 1936 seine Predigt im Münchner
Frauendom.
"Bed. Führer des bayer. Katholizismus, zugleich
ein energ. Verteidiger der Kath. Kirche und ihrer Lehre, bes. gegen den
Nationalsozialismus", heißt es über den Erzbischof von München-Freising im
20-bändigen dtv-Lexikon. Mit dieser Legende vom Widerstandskämpfer Kardinal von
Faulhaber räumt der Münchner Historiker Rudolf Reiser in seinem Buch
"Kardinal Michael von Faulhaber - Des Kaisers und des Führers
Schutzpatron" jetzt gründlich auf. Auf dem Speicher eines bayerischen
Pfarrhofes hat Reiser neue Ansprachen und Hirtenbriefe Faulhabers gefunden, die
beweisen: Faulhaber war Antidemokrat, Antisemit und glühender Hitleranhänger.
Kaiser Wilhelm II. hatte den 1869 geborenen
Bäckerjungen nach dessen Theologiestudium 1903 zum Professor für
Alttestamentliche Exegese berufen. Damit hatte sich der Kaiser die
lebenslängliche Treue des Katholiken erkauft. 1911 wird Faulhaber Bischof im
damals königlich-bayerischen Speyer. "Das Evangelium hat für den Krieg
nicht nur einen Waffenpaß, es hat für ihn sogar einen Waffensegen",
begrüßt der Bischof den I.Weltkrieg. Während er alle leiblichen Freunden der
Etappe genießt, philosophiert er: "Der Aufmarsch ohne Alkohol, die
Rückkehr zum einfacheren Küchenzettel, die Wiedergeburt der altgermanischen
Abhärtung, die ins Riesenhafte gesteigerten Strapazen im Felde werden zum
mindesten in der Lebensführung des jetztlebenden Geschlechtes heilsam
nachwirken." Zur besonderen Schmach für Faulhaber, der 1917 zum Erzbischof
von München-Freising berufen wurde stürzen revolutionäre Arbeiter am 7.
November 1918 ausgerechnet in Bayern den ersten deutschen Königsthron. Bayerns
sozialistischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner wird Faulhaber nie anders
bezeichnen, als den "Juden Eisner". Als Eisner von rechtsextremer
Mörderhand am 21. Februar 1919 erschossen wird, weigert sich Faulhaber, die
Kirchenglocken zur Trauer läuten zu lassen. Mit der Waffen in der Hand
erzwingen revolutionäre Arbeiter schließlich das Geläut und hängen Trauerfahnen
aus den Fenstern des Erzbischhöflichen Palais. Welch ein Hohn, daß ausgerechnet
die Straße, in der Eisner dem Attentat zu Opfer fiel, auf Stadtratsbeschluß
seit 1953 nach Kardinal-Faulhaber benannt ist!
"Warum mahlen Deine Mühlen so langsam",
klagte Faulhaber seinen Gott an, als selbst die konservative katholische
Bayerische Volkspartei sich pro forma zur Republik bekannte. Ministerpräsident
Gustav Kahr verhinderte - wohl auch im Interesse des eigenen Machterhalts -
gerade noch, daß Faulhaber beim Trauergottesdienst für den verstorbenen König
Ludwig III. am 5. November 1921 dessen Sohn Rupprecht zum neuen König ausrief.
Der Kardinal hoffte weiter auf die Wiederkehr der Monarchie und hetzte gegen
die neuen "Könige von Volkes statt von Gottes Gnaden".
"Auf mir lastet diese furchtbare Erkenntnis:
Den Deutschen ist nicht zu raten und zu helfen. Protestantismus und Sozialismus
haben eine Binde über die Augen unseres Volkes gelegt", schreibt Faulhaber
1923 an Papast Pius XI. Doch Faulhaber sieht Rettung nahen. "Adolf Hitler
wußte besser, als die Diadochen seiner Bewegung, daß die deutsche Geschichte
nicht erst 1870 und nicht erst 1517 begann, daß für die Wiederaufrichtung des
deutschen Volkes die Kraftquellen der christlichen Kultur unentbehrlich sind
[...]. Als Mann des Volkes kannte er auch die Seele des süddeutschen Volkes
besser als andere und wußte, daß mit einer Bewegung, die in ihrer Kehrseite
Kampf gegen Rom ist, die Seele des Volkes nicht erobern wird." Diese
Zeilen schrieb der Kardinal wohlweislich schon 1925 in seiner Schrift
"Deutsches Ehrgefühl und katholisches Gewissen."
Am 3. Dezember 1933 hält Faulhaber eine
Adventspredigt in der Münchner Michaelskirche. Er dankt Gott dafür, daß aus dem
öffentlichen Leben unseres Volkes in den letzten Monaten "viel
Sittenlosigkeit" mit "eisernem Besen ausgekehrt wurde". Dann widmet sich der Kardinal der
Judenfrage. "Trotz aller Führung der Gnade hat Israel die Stunde seiner
Heimsuchung nicht erkannt", weist er den Juden die Schuld an ihrer
Verfolgung zu. "Sie hatten die
hatten den Gesalbten des Herren verleugnet und verworfen, zur Stadt
hinausgeführt und ans Kreuz geschlagen" bedient Faulhaber die gängigen
antisemitischen Klischees. Ausgerechnet diese Predigt wird Faulhaber nach dem
Krieg als Beweis seiner Widerstandstätigkeit aufführen!
Nicht einmal zur Verteidigung ureigenster Interessen
der Kirche ist der Kardinal bereit. Als die Nazis die katholischen
Jugendverbände auflösten und verboten, fiel Faulhaber tapferen Jungkatholiken,
die Widerstand leisten wollten, in den Rücken. Den Jugendlichen fehle der Blick
für das Ganze, für die Lebensfragen Deutschlands. Dafür besucht Faulhaber 1936
Hitler auf dem Obersalzberg und huldigt ihm als "gottgegebener
Autorität". Die Annexion Österreichs läßt der Kardinal mit Glockengeläut begrüßen.
Als 1941 Schulgebet und Schulkreuze verboten werden,
ist es für den Hitleranhänger Faulhaber zu spät, zu protestieren. Stattdessen
philosophiert er darüber, ob unter Christus Kreuz auch ein Germane gestanden
habe. Nach dem Attentat vom 20.Juli 1944 gerät auch Faulhaber kurzfristig in
die Fänge der Gestapo wegen eines lange zurückliegenden Treffens mit Goerdeler.
Er beschwört, staatsfeindliche Komplotte sofort der Gestapo zu melden, so, wie
er bereits mehrfach Anzeige erstattet habe.
Bis zum bitteren Ende hält der Kardinal dem seinem
Führer die Treue. Unglaublich, wie es ihm gelingen konnte, unmittelbar nach
Kriegsende Legenden über seine Widerstandstätigkeit zu verbreiten. Zu seinem
80.Geburtstag wird Faulhaber zum Ehrenbürger Münchens ernannt, 1951 erhält er
als erster Bundesbürger das Großkreuz
des Verdienstordens, den höchsten Orden der BRD!
Die Münchner Stadtratsfraktion der Grünen hat Ende
März aufgrund von Reisers Buch den Antrag gestellt, Faulhaber die
Ehrenbürgerwürde abzuerkennen und die Kardinal-von-Faulhaber-Straße
umzubenennen. Der sozialdemokratische Oberbürgermeister Christian Ude hat den
Antrag erst einmal abgeschmettert. Faulhabers Zitate seinen zwar etwas
"befremdlich", aber ihm könne "keine nationalsozialistische
Gefolgschaft" zur Last gelegt werden. CSU-Stadtrat Podiuk forderte in eine
Presseerklärung gar zum Zusammenschluß aller bürgerlichen Kräfte gegen den
"sozialistischen Angriff" auf Faulhaber.
Nähere Aufklärung soll nun eine gründliche
Auswertung des Nachlasses des Kardinals bringen. Da der ultrakonservative
Kardinal Friedrich Wetter hierbei die Aufsicht hat, dürfte diese Untersuchung
nicht kritischer ausfallen, wie die kürzliche "Selbstkritik" des
Papstes zur NS-Vergangenheit der katholischen Kirche.
Rudolf Reiser: Kardinal Michael von Faulhaber - Des
Kaisers und des Führers Schutzpatron, Buchendorfer Verlag München 2000, 104 S.,
geb., DM 22,.