Die roten Bergsteiger

Eine Ausstellung in München erinnert an die Erste Deutsche Arbeiter-Kauskasus-Expedition 1932

 

Ein ungewohntes Bild bietet sich zur Zeit dem Besuchern des mondän gelegenen Alpinen Museums auf der Münchner Praterinsel. Mit der Aufschrift „Der Aufstieg der Linken“ wirbt ein rotes Banner zum Besuch einer Ausstellung des konservativen Deutschen Alpenvereins auf. In Kooperation mit dem Archiv der Münchner Arbeiterbewegung wird an die Erste Deutsche Arbeiter-Kaukasus-Expedition im Juli 1932 erinnert. Nicht nur bergsteigerischer Ehrgeiz führte zwölf Dresdner und Münchner Bergsteiger in das höchste Gebirge Europas. Solidarität mit der Sowjetunion und dem sozialistischen Aufbau gehörten ebenso zu den Motiven der Arbeitersportler, wie der Wille, in den Wettbewerb mit dem bürgerlich-akademisch geprägten Hochgebirgstourismus zu treten.

 

Die Vorbereitung der Expedition lag in den Händen der Dresdner „Naturfreunde Opposition – Vereinigte Kletterabteilung“, in der wegen kommunistischer Fraktionsarbeit ausgeschlossene Mitglieder der sozialdemokratisch dominierten Naturfreunde organisiert waren. Unter der Losung „Heran an die Massen“ wurden ausdrücklich auch sozialdemokratische und bürgerliche Bergsteiger für das Unternehmen geworben. So befanden sich unter den acht Dresdnern und vier Münchnern, bei denen neben ihrer politischen Überzeugung die bergsteigerische Qualifikation zur Auswahl ausschlaggebend war, neben sechs Mitgliedern des kommunistischen Rotsports auch vier Mitglieder der sozialdemokratischen Naturfreunde und je ein Mitglied des bürgerlichen Deutsch-Österreichischen Alpenvereins und des sächsischen Bergsteigerbundes. Finanziert wurde die Expedition durch Spenden aus der Arbeiterschaft und die Unterstützung der sowjetischen Tourismusorganisation. Der Deutsch-Österreichische Alpenverein spendete seinem bekannten Mitglied Otto „Rambo“ Herzog ein Zelt und Geldmittel.

 

Bevor es in die Berge ging absolvierten die Münchner und Dresdner Arbeiter ein Besuchsprogramm in Moskau, das vom Lenin-Mausoleum über das Stahlwerk „Hammer und Sichel“ bis zum Besuch der Verfilmung von Makarenkos „Der Weg ins Lebens“ reichte. Anschließend erklommen die Kraxler in drei Gruppen die verschiedenen Gipfel des Kaukasus, wobei sie 28 Erstbesteigungen vermelden. Bewährungsproben sind dabei nicht nur alpiner Art. So setzen die Balkaren ihren deutschen Gästen das Beste eines gekochten Steinbocks vor: Zunge, Augen und Ohren.

 

Zurück in Moskau schickten die Delegationsteilnehmer eine auch von den bürgerlichen und sozialdemokratischen Mitgliedern unterzeichnete Erklärung, in der es hieß:

„Die Expedition konnte sich während des Aufenthalts in der UDSSR überzeugen, dass die Macht in der UDSSR in den Händen der Arbeiterklasse ist, dass die Arbeiterklasse unter der Partei Lenins den Sozialismus aufbaut, das der gigantische Aufbau unaufhaltsam vorwärts schreitet und bestehende Schwierigkeiten überwunden werden.“

Die deutschen Bergsteiger erklärten, dass „die Schaffung einer Massentouristikbewegung im Sinne der proletarischen Touristik“ und die „Einreihung derselben in den Kampf zur Herstellung der roten Einheitsfront gegen Faschismus und Reformismus, gegen Krieg und Interventionsgefahr zum Schutz der Sowjetmacht“ die Hauptaufgaben proletarischer Sportler in allen kapitalistischen Ländern sei.

Ein Ziel der Expedition war es, die Sowjetunion insbesondere bei Bergsteigern aus bürgerlichen und sozialdemokratischen Organisationen in ein positives Licht zu rücken. So hielten die zurückgekehrten Bergsteiger eine Reihe von Lichtbild-Vorträge vor Tausenden von Besuchern und Willi Münzenbergs Arbeiter-Illustrierte Zeitung brachte im Dezember 1932 eine Photoreportage über die Kaukasusexpedition.

Als „kommunistische Schädlinge“ schlossen die Münchner Naturfreunde die Münchner Expeditionsteilnehmer und 20 weitere Mitglieder aus. Eine für das Jahr 1933 geplante zweite Expedition gab es nicht mehr. Stattdessen wurden viele Teilnehmer der Expedition nach der nationalsozialistischen Machtübernahme jahrelang in Zuchthäusern und Konzentrationslagern inhaftiert.

 

Während die Arbeiter-Kauskasus-Expedition nach dem Krieg in Westdeutschland totgeschwiegen wurde, stellte die DDR sie immer wieder als wichtigen Akt der deutsch-sowjetischen Freundschaft heraus. Mit der 1968 ausgestrahlten dreizehnteiligen Serie „Rote Bergsteiger“ erinnerte der Deutsche Fernsehfunk an die Kaukasus-Expedition und den antifaschistischen Widerstand von Mitgliedern der Naturfreunde-Opposition.

 

Die von Michael Kühn konzipierte Ausstellung im Alpinen Museum zeigt über 150 Fotographien aus dem umfangreichen Bestand der Expedition sowie Tourenberichte, Dokumente und zeitgenössische Presseartikel aber auch das Zelt eines der Teilnehmer. Der im Buchendorfer Verlag erschienene Ausstellungskatalog beschäftigt sich neben der Kaukasus-Expedition auch mit dem Russlandbild in der Weimarer Republik, der Geschichte der Dresdner Bergsteigerorganisationen und der Münchner Naturfreunde sowie den Himalaya-Expeditionen deutscher Akademiker in den zwanziger Jahren.

Dem Besucher sei an dieser Stelle als Kontrastprogramm die Dauerausstellung zur Geschichte des Alpinismus im gleichen Gebäude empfohlen, die vor Augen führt, wie sich vor allem die Nationalsozialisten des Mythos Berg und Bergsteigens bedienten.

 

Nick Brauns

 

Die Ausstellung wird bis zum 22.September 2002 im Alpinen Museum, Praterinsel 5, 80538 München gezeigt. Dienstags bis Freitags 13 bis 18 Uhr. Samstag und Sonntags 11-18 Uhr.