Zwischen 1936 und 1939 war Palästina Schauplatz einer ersten Intifada gegen
britische Mandatsherrschaft und zionistischen Siedlerkolonialismus. Hintergrund
war ein massiver Anstieg der zionistischen Zuwanderung seit 1932. Allein 1935
kamen 61854 Siedler ins Land. Verstärkt wurde der Zustrom durch jüdische
Flüchtlinge aus Nazideutschland, denen sonst kein Land die Einreise gestattete.
Zwischen 1932 und 1936 flossen 30000000 Pfund von zionistischen Organisationen
nach Palästina. Kleine arabische Landbesitzer waren durch blanke Not zum
Verkauf gezwungen, und weitere 172 010 Dunam Boden gingen in jüdische Hände
über. Von den Briten begünstigt, hatten Zionisten zahlreiche Verwaltungspositionen
erobert. Gleichzeitig ging die zionistische Führung von ihrer Strategie der
schrittweisen Errichtung einer jüdischen Heimstatt ab und zielte offen auf
einen eigenen Staat.
Unter arabischen Intellektuellen löste die massive Einwanderung Panik aus,
würden doch die Araber bei gleichbleibendem Zustrom von Siedlern bald zu einer
Minderheit im eigenen Land werden. Bereits im Oktober 1933 war die arabische
Bevölkerung in einen Generalstreik gegen die britische Mandatsherrschaft
getreten, die durch das Versprechen einer jüdischen Heimstatt in der Balfour
Declaration von 1917 Hauptförderer des Siedlerkolonialismus war.
Das Scheitern des zivilen Widerstands führte zum bewaffneten Kampf. Seit
1934 hatte Scheich Izz el-Din el-Qassam, der einen fundamentalistischem Islam
predigte, in der Umgebung von Haifa Jugendliche paramilitärisch organisiert.
Qassam starb bei einem Gefecht mit britischen Sicherheitskräften in der
Gebirgsregion bei Dschenin. Die Bedeutung des Scheichs, den die Hamas zu ihren
Ahnen rechnet, liegt weniger im amateurhaften Versuch, einen Guerillakrieg zu
entfachen, sondern in seiner nachfolgenden Verklärung als Märtyrer. Sein
Opfertod hatte die Bereitschaft zum bewaffneten Kampf unter der bäuerlichen
Bevölkerung und der palästinensischen Jugend weiter gesteigert.
Zum eigentlichen Auslöser des Aufstandes wurde am 15. April 1936 die
Ermordung zweier jüdischer Reisender bei Nablus durch Anhänger Qassams. In der
angespannten Atmosphäre löste der Doppelmord umgehend Vergeltungsakte aus, die
eine weitere Gewaltspirale in Gang setzten.
Um nicht die Kontrolle über die revoltierende Basis zu verlieren, schlossen
sich die traditionellen Partei- und Clanführer unter Leitung des Mufti von
Jerusalem Amin el-Husseini zu einem Obersten Arabischen Komitee zusammen, das
zum Generalstreik aufrief. Von der britischen Besatzungsmacht wurde die
Erfüllung eines Dreipunkteprogramms verlangt: Beendigung der jüdischen
Einwanderung, Verbot des Landverkaufs an die Juden und Unterordnung der
Mandatsbehörde unter eine demokratisch von der Bevölkerungsmehrheit gewählte
Regierung.
Der Generalstreik umfaßte die größeren Städte Palästinas mit ihren
Geschäftszentren, Kleinbetrieben, Transportunternehmen und Verwaltungen. Die
Maßnahmen liefen weitgehend ins Leere, weil die jüdische Bevölkerung sich nicht
daran beteiligte und gerne die von Arabern aufgegebenen ökonomischen Positionen
besetzte. So erlaubte die britische Mandatsmacht den Zionisten, anstelle des
bestreikten Hafens von Jaffa vor der Küste von Tel Aviv eine Mole zu errichten,
die später alle Aufgaben des veralteten Jaffaer Hafens übernehmen konnte.
Gleichzeitig mit dem Generalstreik begann der bewaffnete Widerstand von
mehreren tausend zumeist bäuerlichen Kämpfern. Ohne zentrale Leitung unter dem
Kommando örtlicher Führer organisierten die Partisanen Sabotageakte gegen
Eisenbahnzüge und Pipelines und griffen jüdische Siedlungen an. Unter den
Kämpfern fanden sich Nationalisten und Anhänger des Mufti ebenso wie örtliche
Straßenräuber und panarabische Freiwillige. Vereinzelt auftauchende Hakenkreuze
zeigten, daß bei der bäuerlichen Bevölkerung neben einem fortschrittlichen
Antikolonialismus auch rückschrittliche antijüdische Elemente anzutreffen
waren. Aber zum wahren Symbol des Aufstandes wurde die Keffieh, das
Palästinensertuch, das nun von der ganzen Bevölkerung getragen wurde, damit die
Aufständischen unter der arabischen Bevölkerung schwimmen konnten wie der Fisch
im Wasser.
Die Guerillabewegung erlitt im Zuge einer britischen Gegenoffensive im
September eine schwere Niederlage bei Dsch‘aba. In der ersten Oktoberhälfte
wurde auch der Generalstreik abgebrochen, da die arabischen Eigentümer der
Orangenplantagen um ihre Ernte fürchteten.
Doch im Juli 1937 flammten die Kämpfe erneut auf, nachdem Großbritannien
einen für die Araber inakzeptablen Teilungsplan für Palästina vorschlug. Nach
der Erschießung des Distriktkommissars von Galiläa am 26. September 1937 löste
die britische Besatzungsmacht das Oberste Arabische Komitee auf und deportierte
die Führer nach Rhodesien und auf die Seychellen. Dem Mufti, der sich um eine
Unterstützung des Aufstandes durch die faschistischen Mächte Deutschland und
Italien bemühte, gelang in Frauenkleidern die Flucht in den Libanon.
Die Rebellion erreichte im Herbst 1938 ihren Höhepunkt, als die Rebellen das
enge Straßengewirr der Altstadt von Jerusalem, das Bergland im Zentrum
Palästinas, Galiläa, Hebron, Beersheba und Gaza kontrollierten. Doch das Machtvakuum
wurde nicht genutzt, die Rebellion nicht zur Revolution erweitert. Der Aufstand
trug alle Züge und Schwächen einer bäuerlichen Revolte. Clanstreitigkeiten
unter den Führern, die in bewaffneten Kämpfen untereinander gipfelten sowie
zunehmende Gewalt gegen die arabische Bevölkerung beim Eintreiben von Spenden
erleichterten den Briten die Niederschlagung des Aufstandes.
Die britische Luftwaffen bombardierte jetzt ganze Dörfer. Ergriffene
Partisanen wurden hingerichtet, Tausende Araber häufig ohne Anklage inhaftiert.
Die damaligen Aufstandsbekämpfungsmaßnahmen aus militärischer Übermacht, einem
Netz von festungsartigen Polizeistationen und Sicherheitsstraßen, kollektiver
Vergeltung durch Häuserzerstörung sowie dem Einsatz von Konterguerilla unter Einschluß
der zionistischen Kampfgruppe Haganah und Irgun sind bis heute Elemente der
israelischen Besatzungspolitik geblieben.
Im März 1939 brach der Aufstand unter den massiven Unterdrückungsmaßnahmen
zusammen. Er hatte mehr als 5000 Arabern, 400 Juden und 200 Briten das Leben
gekostet. Das Scheitern der Revolte hatte ihre Ursachen auch in der feudalen
Zersplitterung der palästinensischen Gesellschaft, der Uneinigkeit ihrer Führer
sowie dem Fehlen eines klaren, vorwärtsweisenden Programms.
Inzwischen ist die Lage in Palästina unhaltbar geworden. Wenn im Frühjahr
1938 noch von einem Bandenkrieg gesprochen werden konnte, ist im Herbst eine
wahre Volkserhebung zu verzeichnen. Die Ausweisung des Mufti von Jerusalem hat
keineswegs die Folge gehabt, seine Tätigkeit einzudämmen – ganz im Gegenteil:
Im Libanon hat er viel mehr Freiheit, die Propaganda zu leiten und den
Kampfgeist zu wecken. In Bagdad wird ein Komitee der Dreizehn zur Verteidigung
Palästinas gegründet. Der ehemalige oberste Bandenführer Fauzi-ed-din-Kaukadji,
der aus Palästina fliehen mußte, leitet von Bagdad aus die kriegerischen
Unternehmungen und schickt strategische Pläne. Sein Bruder beschäftigt sich mit
der Waffenlieferung. Abgesehen von einigen alten türkischen Gewehren sind alle
Waffen ganz modern. Eine Truppe von dreihundert jungen Freiwilligen in Bagdad
ist nur dazu da, die Weisungen des Komitees auszuführen und mit den
Aufständischen Fühlung zu halten.
Die Aufständischen selbst bekommen täglich neuen Zuzug. Jahrelang waren die
Städter zurückhaltend. Sie sahen mit dem dauernden Kleinkrieg alle
Verdienstmöglichkeiten hinschwinden. Jetzt haben sie sich angeschlossen. Im
August gibt die Leitung der Aufständischen die Weisung: Alle Araber in ganz
Palästina haben den Tarbusch abzulegen und die Keffieh zu tragen. Das ist ein
Symbol der Einigung. Manche Europäer lachen darüber – was bedeutet der Wechsel
einer Kopfbedeckung? fragen sie. Aber es ist mehr als ein Symbol. Es ist eine
Art Tarnung für den Krieg. Zuvor waren die Landleute, das heißt die
Aufständischen, wenn sie in die Stadt kamen, leicht zu erkennen, – an ihrem
Kopftuch. Jetzt sehen alle gleich aus. Und alle kann man nicht verhaften. Der
Berichterstatter der Times schreibt am 5. Oktober einen sehr ernsten Satz:
»Wenn nicht schnell eine Lösung gefunden wird, mag es notwendig sein, Palästina
noch einmal von neuem zu erobern.« Schon ist eine so wichtige Stadt wie
Bethlehem von den englischen Truppen aufgegeben worden.
* Margret Boveri: Vom Minarett zum Bohrturm, Eine politische Biographie
Vorderasiens, Zürich/Berlin/Leipzig 1938, S.431